Beim Thema Geld kann es in Familien zu Diskussionen kommen, etwa wenn erwachsene Kinder mehr verdienen als ihre Eltern – so wie bei Jacob. Oder wenn Eltern im Alter finanzielle Unterstützung brauchen. Wie wir damit umgehen, erklärt die Psychotherapeutin Rosalie Weigand.
Jacob ist in Ostdeutschland aufgewachsen, in einer Arbeiterfamilie. Er hat einen Masterabschluss und arbeitet als Lehrer. Es gibt große finanzielle Unterschiede zwischen ihm und seinen Eltern. Jacob verdient mit 28 allein quasi so viel wie beide zusammen nach 30 Berufsjahren. Das fühlt sich für ihn manchmal schon ein bisschen unangenehm an. Jacob merkt das in ganz alltäglichen Situationen: „Wenn man zusammen essen geht, denkt man schon darüber nach, ob man sich Rechnungen aufteilt, anstelle wie man es gewöhnt ist, dass die Eltern das übernehmen.“
Vor einer Weile hat sich Jacob ein neues Auto gekauft. Auch für ihn eine große Anschaffung. Aber es war ein Auto, dass sich seine Eltern nicht leisten können. „Da habe ich schon versucht, nicht darüber zu reden, wie teuer das im Endeffekt tatsächlich war. Ich kenne ja die Situation meiner Eltern, und für mich ist so etwas unangenehm in der Hinsicht, dass ich ja nicht vorleben möchte, dass ich mir deutlich mehr leisten kann.“
Jacob glaubt, dass seine Eltern stolz darauf sind, was er erreicht hat. „Und trotzdem glaube ich, dass sie vielleicht eine Art Traurigkeit spüren, dass sie eben nicht die Möglichkeiten haben, denn man vergleicht sich ja doch untereinander“, sagt er. Ansparen konnten Jacobs Eltern in all den Jahren nichts, erzählt er. Auch daran wird deutlich, wie groß der Gehaltsunterschied zwischen ihm und seinen Eltern ist. Sie haben gar nicht die Möglichkeit, etwas zur Seite legen, sagt Jacob: „Alles, was sie einnehmen, fließt auch wieder in das, was sie zum Leben brauchen.“
Jacob geht davon aus, dass sich das auch auf die Rente seiner Eltern auswirken wird: „Ich habe einen Einblick darüber, was sie aktuell in etwa verdienen. Ich habe einen Einblick darüber, wie ihre Rente aussehen wird, weil sich das einfach berechnen lässt. Und da ist abzusehen, dass die Rente nicht besonders hoch sein wird.“
In solchen Fällen kann es dazu kommen, dass erwachsene Kinder ihren Eltern finanziell unter die Arme greifen müssen. Aber wie wirkt sich das auf Eltern-Kind-Beziehung aus? Die psychologische Psychotherapeutin Rosalie Weigand sagt, dass sich dann das Versorger-Versorgte-Verhältnis umkehrt und Betroffene vor emotionale Herausforderungen stellen kann.
Wichtig sei aber auch, dass Eltern und Kinder über das Thema sprechen. Denn es kann auch sein, dass Eltern es auch gut finden, dass ihre Kinder so gut verdienen und nur auf Seiten des Kindes Schuldgefühle vorhanden sind, erklärt Rosalie Weigand: „Also viele Eltern möchten ja, dass die Kinder abgesichert sind, dass die Kinder keine existenziellen Sorgen haben und sind auch stolz darauf. Also tatsächlich erst einmal abklären. Wie empfindet ihr das denn?“
Das Thema Geld kommt aber nicht in allen Familien zur Sprache. Das hält Rosalie Weigand für ein großes Problem. Sie empfiehlt, es trotzdem zu versuchen und auch zu hinterfragen, woher diese Haltung kommt. Häufig stecken Glaubenssätze in Bezug auf Geld dahinter, die in der Familie gelernt wurden. Sie rät: „Sich selbst zu fragen, ist Geld für mich irgendwie an den Wert eines Menschen gekoppelt. Also bewerte ich jemanden, der mehr oder weniger Geld hat als ich, als besser oder schlechter?“ Solche Glaubenssätze sollten Kinder am besten auch mit den Eltern besprechen.
Wenn das Geld der Eltern im Alter nicht reicht, haben aber auch erwachsene Kinder nicht immer die Möglichkeit auszuhelfen. Rosalie Weigand sagt, dass diejenigen sich dann nicht schlecht fühlen müssen, weil sie nicht für ihre Eltern verantwortlich sind. „Wir schulden ihnen in dem Sinne nichts. Aber da wir ja emotional mit ihnen verbandelt sind, also dadurch, dass sie uns wichtig sind, ist uns natürlich dann auch nicht egal, wie es ihnen mit dem Thema geht.“
Um einen guten Umgang damit zu finden, könnte das Ganze so gelöst werden, dass erwachsene Kinder ihren Eltern bei Familienfesten vielleicht mal ein größeres Geschenk machen, so die Psychotherapeutin, „oder dass man die Eltern mal einlädt, beim gemeinsamen Essen gehen oder so. Also, dass man sozusagen signalisiert, ich verdiene jetzt mehr als ihr und möchte euch diese Wertschätzung zurückgeben.“
Auch Jacob hat sich schon mit dem Gedanken auseinandergesetzt, dass er seine Eltern später womöglich finanziell unterstützen muss. Er verspürt zwar nicht das Gefühl, dass er für seine Eltern verantwortlich ist, aber sieht die emotionale Bindung zu ihnen.
Jacob empfindet auch kein Ungerechtigkeitsgefühl, weil er voraussichtlich kein großes Erbe haben wird. Er ist vielmehr dankbar dafür, wie er aufgewachsen ist: „Meine Eltern haben alles, was sie an finanziellen Möglichkeiten hatten, in unserer Familie gesteckt und es für mich möglich gemacht, studieren gehen zu können.“ Deshalb hat Jacob kein Problem damit, seine Eltern später auch unterstützen zu können und zu wollen. „Ich bin eher froh darüber, dass es mir möglich ist für den Ernstfall“, sagt er.
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