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Steve Jobs' Tochter Eve Jobs sorgt für Aufsehen in der Creator Economy, als ein User mit einem simplen Post über sie 10.000 Dollar verdient. Die Bonuszahlung löst Empörung aus und wirft Fragen auf zur gerechten Vergütung von Content-Creatorn. Hinter dem viralen Post steckt wenig Aufwand, was die Diskussion um die Monetarisierung von Inhalten weiter anheizt. Die undurchsichtigen Regeln der Plattform X lassen viele Userinnen und User im Dunkeln darüber, wie ihre Beiträge bewertet werden. Die Entwicklung der Creator Economy zeigt, dass Beliebtheit oft mehr zählt als Qualität, was zu einer fragwürdigen Dynamik führt.
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Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 42/2025.
Wussten Sie, dass Steve Jobs eine Tochter hatte? Noch wichtiger: Wussten Sie, dass die Tochter des Apple-Gründers sehr attraktiv ist? Na gut, vielleicht ist das aus Ihrer Sicht gar nicht wichtig, aber viele Menschen interessiert es offenbar. Ein X-Post mit einem Porträtfoto von ihr wurde seit seiner Veröffentlichung am 11. Oktober mehr als 100 Millionen Mal angesehen. Der Post ging wohl viral, weil viele Menschen überrascht waren, wie gut Eve Jobs aussieht. Aber nicht nur deswegen. Und auch nicht, weil es unbestreitbar witzig ist, dass Steve Jobs‘ Tochter Eve Jobs heißt (wurde der Name gewählt, weil er mit Steve reimt, oder weil er eine biblische Verbindung zu Äpfeln hat?).
Der Post hat auch Aufsehen erregt, weil der X-User mit vier Wörtern und einem Screenshot 10.000 US-Dollar verdient hat.
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Der Zahltag wurde durch die Empörung des Users ausgelöst und hat im Anschluss für noch mehr Empörung beim Publikum gesorgt. Der Vorfall macht sichtbar, wie kompliziert und mitunter ungerecht die Monetarisierung von nutzergenerierten Inhalten ist.
Aber der Reihe nach: Kurz nachdem er über Eve Jobs gepostet hat, beklagte der User namens Zoomer, dass er mit diesem und anderen Postings zwar mehr als 172 Millionen Impressions gesammelt hatte (wie oft der Post von anderen Usern gesichtet wurde), er dafür aber „nur“ 1.500 Dollar Creator-Umsatz bekommen habe. Diese Beschwerde erreichte Nikita Bier, Head of Product bei X. Bier antwortete: „Check again.“ Was diese mysteriöse Rückmeldung bedeuten könnte, wurde schnell geklärt: Der nächste Beitrag von Zoomer war ein Screenshot seines Creator-Kontos, in dem auf einmal eine Überweisung von 10.000 Dollar verbucht worden war.
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Ein Kommentar unter dem Post fasste die Reaktion der X-Community perfekt zusammen: „Man muss sich also öffentlich beschweren, um bezahlt zu werden!?“ Die spontane Bonus-Zahlung von Nikita Bier hat viele User und Userinnen verärgert, weil sie selbst mit viralen Postings nur ein paar hundert Dollar verdient hätten.
Verständlicherweise fühlt man sich betrogen, wenn ein einziger User plötzlich ein Vermögen verdient, nur weil er sich laut beschwert, während andere Content-Creator sich über jeden Dollar freuen müssen. Und weil man im Internet keinen Shitstorm auslösen kann, ohne den Zorn der Massen auf sich zu ziehen, wurde Nikita Bier wenige Stunden später gedoxxt (eine Online-Rache, bei der die Adresse einer Person gegen ihren Willen veröffentlicht wird).
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Die wütende Reaktion hängt wohl auch damit zusammen, dass hinter Zoomers viralem Post eine geradezu faule Arbeitshaltung stand: Er hatte nicht mal das Foto selbst gemacht, sondern einfach ein Selfie von Eve Jobs von ihrer eigenen Instagram-Seite geteilt und mit dem wortkargen Satz „Steve Jobs daughter btw“ ergänzt. btw steht für by the way, auf Deutsch hieße der Satz etwa: „Das ist übrigens Steve Jobs’ Tochter.“ Nicht unbedingt ein Text von immenser Schaffenshöhe.
Zoomer beschreibt sich in seinem X-Profil als „Shitposter“ – ein User, der absichtlich nervige oder provozierende Inhalte postet und sich dabei möglichst wenig anstrengt. Warum sind solche Shitposts tausende Dollar wert sind, während andere Userinnen für kreativere Beiträge deutlich weniger bekommen? Warum hat Nikita Bier ausgerechnet diesen Beitrag mit einer Bonuszahlung belohnt? Wie funktioniert die Monetarisierung von X-Inhalten überhaupt? Dass es keine klaren Antworten auf diese Fragen gibt, zeigt die großen, aber häufig unsichtbaren Schwächen der sogenannten Creator Economy.
Der Begriff Creator Economy beschreibt das wirtschaftliche System, in dem Menschen, die Texte, Bilder oder Videos auf Plattformen wie Instagram, TikTok, YouTube oder eben X hochladen, dafür Geld bekommen. Das Grundprinzip ist einfach: Plattformen wie X verdienen Geld in erster Linie damit, dass Millionen User ihre Apps nutzen und zusammen ein wertvolles Publikum für Werbung bilden. Diese User sind aber nur auf jenen Apps unterwegs, weil sie die Inhalte sehen wollen, die von anderen Userinnen gepostet werden. Die Endverbraucher des Produkts sind zugleich die, die das Produkt wertvoll machen.
Es ist also erst einmal nachvollziehbar, dass diejenigen Inhalte finanziell vergütet werden, die in der App besonders beliebt sind oder viele Werbeplätze ermöglichen (abhängig von der Länge eines YouTube-Videos, zum Beispiel). Wie genau X den Mehrwert eines Posts bewertet, ist aber nicht klar. Zu der Frage, warum Zoomer ausnahmsweise eine so großzügige Sonderbelohnung erhalten hat, antwortete Nikita Bier etwas geheimnisvoll: „Wenn man 200 Millionen Impressions kriegt und Internetkultur für 24 Stunden definiert …“
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Man könnte denken, die Möglichkeit, mit besonders erfolgreichen Inhalten Geld zu verdienen, soll als Motivation dienen, besonders viel Mühe und Liebe in seine Inhalte zu investieren, um die bestmöglichen Produkte auf den Markt zu bringen. Die real existierende Marktwirtschaft der Creator Economy sieht anders aus: Es gibt Content-Creator, die hunderte Stunden in ihre Inhalte investieren, Studios mieten, Skripte schreiben, Produzentinnen beauftragen – und dabei weniger verdienen als Nutzer wie Zoomer, die einfach oberflächliche Nichtwitze aus dem Ärmel schütteln. Wie so oft im Leben wird Mühe weniger belohnt als Beliebtheit.
Gleichzeitig ist die Creator Economy ein undankbares Geschäft, weil die Kunden (also die Plattformen) selten preisgeben, wie ihre Bezahlmodelle im Detail funktionieren. Es kann eine komplette Überraschung sein, ob man für einen bestimmten Inhalt viel oder wenig Geld verdient. Bei X war es bis vor Oktober 2024 so, dass Creator und Creatorinnen proportional für die Ad-Erlöse durch ihre Inhalte bezahlt wurden. Je mehr Kommentare ein einzelner Post gesammelt hatte, desto mehr Werbeplätze konnten zwischen den Kommentaren angezeigt werden, anteilig an den Werbeeinnahmen verdiente die Userin oder der User – wobei man sich darauf verlassen musste, dass X die Werbeeinnahmen transparent und ehrlich berechnete.
Heutzutage sind die Regeln anders, die Vergütung für einen Beitrag wird anhand des „Engagements“ von Nutzern berechnet. Die Abrechnungsformel ist ein Algorithmus, der nicht nur die Anzahl der Views berücksichtigt, sondern auch die Art des Inhalts, die anderen Interaktionen mit dem Inhalt und sogar die Eigenschaften der interagierenden Nutzerinnen (ob sie ein Premium-Abo haben, zum Beispiel).
Wie viel Geld verdiene ich also, wenn mein Post 200 Millionen Views und 50.000 Kommentare bekommt? Das weiß kein Mensch. Und die Frage, ob das eine faire Summe ist, kann auch niemand beantworten. Zoomer behauptete, dass 1.500 Dollar für einen viralen Eve-Jobs-Post nicht ausreichend sei. Und X als Unternehmen hat bestimmt genügend Kohle in den Koffern, um großzügiger zu sein. Doch Gleichbehandlung – ein Algorithmus, der für alle User die Vergütung auf gleiche Art und Weise kalkuliert – ist sicherlich besser als ein Wer-am-lautesten-schreit-Prinzip.
Klar ist: Solange Inhalte vergütet werden und diese Vergütung mit dem zahlenmäßigen Erfolg der Inhalte zusammenhängt, werden die meisten Content-Creator versuchen, diese Zahlen zu optimieren, oft auf Kosten der Qualität. Zahlt die Plattform mehr, wenn die Userin eine große Diskussion im Kommentarbereich auslöst, wird die Userin versuchen, immer Polemischeres zu sagen.
Dieser Mechanismus kann nostalgische Gefühle aufkommen lassen für die frühen Tage der Plattformen, in denen niemand mit seinen Inhalten Geld verdiente. YouTube etwa wurde erfolgreich wegen Videos, die von Usern freiwillig erstellt und hochgeladen wurden. So haben diese Menschen mit ihrer unbezahlten Arbeit einen Riesenkonzern mit aufgebaut.
Sicherlich ist es gerechter, sie für ihre Inhalte zu bezahlen. Und weil sie viel Zeit und Mühe darin investieren, ist es toll, dass einige möglicherweise davon leben können. Aber die Dynamik damals war geselliger, entspannter. Ein Großteil der Videos wirkte hausgemacht, mit winzigen Budgets und einer amateurhaften Ästhetik. Es war süß.
Rein emotional fühlt es sich heute anders an: käuflich, gierig, gezielt. Es wäre jedenfalls schön, wenn man schon etwas über das Aussehen von Steve Jobs‘ Tochter posten möchte, dafür keine 10.000 Dollar zu erwarten.
In der Serie „Rose erklärt das Internet“ untersucht Rose Tremlett jede Woche Onlinephänomene, die unser Leben verändern. Haben Sie etwas im Internet gesehen, das Sie nicht verstanden haben? Schreiben Sie Rose!